Als ich Pfarrer in einem Bergarbeiterbezirk wurde, ging es dort schrecklich zu. Eines Tages hörte ich von einem Arbeiter, der auf der Zeche unter Tage verunglückt war. Ein Stein war ihm ins Kreuz gefallen. Und nun war er querschnittgelähmt, ohne jede Hoffnung auf Besserung.
Wo war denn dein Gott, als der Stein mir ins Kreuz fiel? So hieß es. Und dann kamen die Flüche.
Eine Woche später, als ich gerade den Männerkreis beginnen wollte, ging polternd die Tür auf,
der Rollstuhl mit dem guerschnittgelähmten Mann wurde hereingeschoben.Seine Freunde unter den Bergleuten hatten ihn einfach abgeholt und in
den Männerkreis mitgebracht. So saß er also vor mir. Und dann sprach ich über das Wort: »So sehr hat Gott die Welt geliebt« – nicht dass er es uns gutgehen lässt, sondern »dass er seinen Sohn gab«. Ich sprach von Jesus, dem letzten Wort Gottes, das wir hören müssen, und fuhr fort: »…auf dass alle, die an Jesus glauben, nicht verloren werden«. Und der Mann hörte zu! Zum ersten Mal hörte er so von Jesus! Auf einmal sah er Licht. Ich will es kurz machen: Ein Vierteljahr später war er ein Eigentum dieses Herrn Jesus geworden. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie alles neu wurde. Seine Wohnung kam in Ordnung. Wo man früher nur Fluchen hörte, da erklangen nun Jesuslieder. Die alten Freunde blieben weg, dafür
kamen neue. Die Schnapsflaschen verschwanden, dafür lag die Bibel auf dem Tisch. Frau und Kinder lebten auf. Kurz vor seinem Tode besuchte ich ihn noch einmal. Es ist mir unvergesslich. Er hatte einen so netten Namen: Amsel.
»Amsel«, fragte ich, »wie gehts?« »Ach«, sagte er, »seitdem mein Leben Jesus gehört, seitdem ich Vergebung meiner Sünden habe, seitdem ich ein Kind Gottes bin, da ist in meinem Hause« – er überlegte einen Augenblick, dann fuhr er fort – »jeder Tag wie der Tag vor Weihnachten.« Und dann kam das, was ich nie vergesse. Da sagte er: »Busch! Ich sterbe bald, ich spüre das… Und dann gehe ich durch das Tor und stehe vor Gott. Und wenn ich dann in
der Ewigkeit vor dem Thron Gottes stehe, dann will ich vor ihm niederfallen und will ihm danken, dass er mir die Wirbelsäule zerbrochen hat. Ich weiß, was ich sage. Sieh, wenn das nicht gekommen wäre, wenn Gott mich so gottlos hätte weiterlaufen lassen, dann wäre ich schnurstracks in die Hölle gelaufen. Da musste Gott in seiner rettenden Liebe so hart eingreifen und mir die Wirbelsäule zerbrechen, damit ich zu seinem Sohne, zu Jesus, finden konnte. Es ist besser, gelähmt
Jesus zu gehören und ein Kind Gottes zu sein, als mit zwei gesunden Beinen in die Hölle zu springen!«
Pastor Wilhelm Busch ( 1897-1966)