Warum so viele Ehen scheitern

„…bis dass die Unlust euch wieder scheidet“

Ehen werden im Himmel geschlossen – und auf Erden geschieden. Die Zeit dazwischen wird immer kürzer. Die Zahl der Ehescheidungen nimmt weiter zu. Was steckt dahinter?

Vor der Ehe-Scheidung steht immer die Entscheidung für die Ehe. Und wer sich für die Ehe entscheidet, wird beschenkt mit einer genialen Erfindung Gottes. Weil es nicht gut ist, wenn der Mensch allein ist, darum beschenkte Gott den Menschen mit der Ehe. Die Ehe ist ein Stück Paradies, das Gott nach dem Sündenfall in die gefallene Welt hinüber rettete. Dieses Geschenk vertraut Gott trotz aller Risiken allen Menschen an.

Gemeinsames Ehehaus
Die Vielfalt der Eheschliessung und die unterschiedliche Gestaltung der Ehe sind weitgehend kulturelle Werke, hinter denen man Gottes Grundmodell der Ehe oft bloss noch erahnen kann. Eine Frau und ein Mann dürfen sich wählen, sich füreinander entscheiden. Das dürfen und müssen wir Menschen tun. Gottes Werk ist es, dass er diese zwei Menschen so zusammenfügt, dass etwas Neues, eine Eheperson, eine gemeinsame Welt oder ein gemeinsames Ehehaus entsteht. Eine lebenslange Herausforderung für Frau und Mann ist es, diese Eheperson zu hegen und zu pflegen, dieses Ehehaus zu bauen und diese gemeinsame Welt in schier unendlicher Beziehungsarbeit zu gestalten. Und über diesem gemeinsamen Projekt, über der Eheperson steht Gottes Veto: „Was Gott zusammengefügt hat (als Eheperson), das soll der Mensch nicht trennen.“ Ja, noch mehr: Gott hasst die Scheidung (Maleachi 2,16)! Das ist eine Realität.

Ein Auslaufmodell?
Die andere Realität ist die, dass heute rund die Hälfte aller Ehen wieder geschieden wird. Im Jahr 2000 betrug der Anteil Scheidungen im Vergleich zu den Eheschliessungen in Deutschland 44,23 Prozent und in der Schweiz 50,88 Prozent. Wir sind also soweit, dass wir in „sukzessiver Polygamie“ leben, wie Th. Bovet, Pionier für „Ehewissenschaft“ (Gamologie) es schon in den 60er-Jahren kommen sah. Er meinte damit, dass wir zwar nicht der „Vielweiberei“ verfallen würden, wohl aber im Laufe des Lebens nacheinander mehrere Ehepartner haben werden.

Laut Bundesamt für Statistik betrug 1999 die Anzahl Eheschliessungen auf 1000 Einwohner in Deutschland 5,2 und in der Schweiz 5,7. In der gleichen Zeit kamen auf 1000 Einwohner in Deutschland 2,3 und in der Schweiz 2,9 Scheidungen. Das Bundesamt für Statistik in Neuchâtel schreibt auf seiner Homepage: „Dass die Ehen in den skandinavischen Ländern noch gefährdeter sind als hierzulande, ändert nichts daran, dass die eheliche Verbindung auf Lebenszeit auch in unseren Breitengraden immer mehr zu einem Auslaufmodell zu werden droht.“ Ist die Ehe tatsächlich ein Auslaufmodell?

Schmerzliche Folgen
Ihrem Wesen nach ist und bleibt die Ehe ein Bündnis, bei dem Gott der Dritte im Bunde ist. Darum ist eine Trennung oder Scheidung der Ehe so schmerzlich und folgenschwer. Der Bund wird gebrochen. Was an Nähe, Liebe, Freude und Lust entstanden ist, an Einheit und „Eins-Werden“, wird entzwei gerissen. Anteile des andern bleiben in mir zurück. Anteile von mir gehen mit dem andern fort. Daran ändert sich auch nicht viel, wenn man heute „dann eben so“ unverheiratet zusammenlebt. Wenn zwei Menschen sich gewählt haben, fügt Gott etwas Neues zusammen, ob sie nun verheiratet sind oder nicht. Allerdings will Gott die Ehe auch öffentlich-rechtlich geschützt wissen. Walter Trobisch nannte deshalb diese eheähnlichen Verhältnisse „gestohlene Ehen“. Praktisch stellt sich die Frage: Ist die Scheidung einer „offiziellen“ Ehe wirklich schwieriger als die Auflösung einer „gestohlenen“ Ehe? Trennung trennt immer, und eine Scheidung scheidet immer. Gemeinsame Freunde und Bekannte ziehen sich zurück oder ergreifen Partei. Das Verhältnis zu Schwiegereltern wird schwierig. Patinnen und Paten kommen nicht mehr zurecht. Und in der christlichen Gemeinde scheiden sich die Geister.

Raues Klima
Wie kommt es, dass so viele Ehen geschieden werden, dass die Ehe zum Auslaufmodell zu werden droht? Nach unserer Erfahrung in der Beratungsarbeit begünstigen folgende Faktoren die Ehescheidung:
– Ueberhöhte Glückserwartungen. Der Mensch ist, was er ist: ein Sünder. Man kann noch so verliebt sein, irgendwann kommt man ernüchtert auf den harten Boden der Realität zurück. Man ist enttäuscht vom andern und kann auch seine Erwartungen nicht erfüllen.
– Die hohe Lebenserwartung führt dazu, dass Ehen viel länger dauern können als früher. Langzeitbeziehungen erfordern jedoch besondere Sorgfalt und Beziehungspflege, wenn sie nicht öde und langweilig werden sollen.
– Dann gibt es natürlich den Wertezerfall. Scheidung, Seitensprung und Pornographie werden als normal angesehen. Ein Paar, das „wartet bis zur Ehe“, wird als exotisch belächelt.

Den Sex „optimieren“
– Ein Übriges tut die penetrante Erotisierung und Sexualisierung unserer Gesellschaft. Sie führt dazu, dass Erwartungen und Bedürfnisse an den andern gerichtet werden, die er niemals erfüllen kann oder will. Ich erinnere mich dabei an jene junge Ehefrau, deren Ehemann kurz nach dem ersten Ehejahr ultimativ forderte, bis Weihnachten müsse die Sexualität „optimiert“ sein, sonst sehe er es nicht mehr…
– Wir erleben immer wieder auch Paare, bei denen selbst nach 20 Ehejahren deutlich wird, dass sie sich noch gar nie richtig füreinander entschieden haben. Die Ehe braucht aber unsere Entscheidung füreinander!
– Häufig stellen wir fest, dass die Ehe auf der persönlichen Prioritätenliste erst an fünfter oder sechster Stelle kommt. Da bleibt nicht mehr viel Zeit und Kraft übrig für den Ehepartner, und die Ehe beginnt zu welken.

Wann trennen?
Die hohe Anzahl Scheidungen zwingt auch die christliche Gemeinde, sich mit Trennung, Scheidung und Wiederheirat auseinander zu setzen. Wir empfehlen eine Trennung nur im Sinne einer eherettenden Massnahme. Dabei gilt es, die einzelnen Schritte sorgfältig zu besprechen: Was bedeutet es für jeden einzelnen? Wie ist es mit den Besuchszeiten? Wie ist es mit dem Geld? Wie informieren wir Freunde, Gemeinde und Bekannte? Wie nützen wir die Trennungszeit zur Rettung der Ehe? Wie können die Kinder geschützt werden, so dass sie im Loyalitätskonflikt zwischen Mutter und Vater nicht zerrissen werden?

Keine schnellen Entscheide
Wenn es um Ehescheidung geht, ist es uns in der Beratung wichtig, dass sie nicht einfach „möglichst schnell“ hinter sich gebracht wird, sondern durch Mediation (Vermittlung) fair und gut überlegt geregelt werden kann. Später kommen unweigerlich Zweifel. Da ist es wichtig zu wissen: Ich habe meine Entscheidung vor Gott getroffen, so gut ich konnte. Das bewahrt auch davor, sich gleich in die nächste Beziehung zu stürzen. Eine Scheidung ist ein Stück Sterben und erfordert die entsprechende Trauerarbeit. Das gilt auch für „gestohlene Ehen“. Indem die zwei „ein Fleisch“ geworden sind, hat jedes einen Teil von sich zurückgelassen und einen Anteil des andern mitgenommen. Es ist unerlässlich, dass diese Verstrickung gelöst wird. Eigene Schuld muss erkannt und Gottes Vergebung in Anspruch genommen werden. Fremde Schuld wird am besten an Gott, unseren Anwalt, abgetreten und der „Täter“ aus der Schuld entlassen. Nur so sind Heilung und ein Neuanfang möglich.

Peter Wyss