In Salo am Gardasee liegt dicht am Ufer eine alte, niedrige Weinschenke. Über der Eingangstür steht auf einem Gasthausschild eine seltene Überschrift, aus der tiefer Ernst und grimmiger Humor zugleich sprechen: „Al tempo perduto!“ „Zur verlorenen Zeit!“ Müsste man nicht über manches Haus, manchen Abend, manches Vergnügen, manche Begegnung und manches Leben schreiben: Zur verlorenen Zeit?! Wir vertändeln die Zeit wie wertlosen Kram. Wir verspielen die Zeit bei der Suche nach Glück und Freude. Wir vertreiben die Zeit, weil sie uns langweilt. Wir schlagen die Zeit tot wie einen Gegner. Und wenn sie dann vorbei ist, möchten wir sie noch einmal haben. Und wenn dann am Ende über unserem ganzen Leben steht: Zur verlorenen Zeit? Gott möchte, dass unser Leben erfüllte Zeit, gefundene Zeit, sinnvolle Zeit ist. Jeden Tag in Gottes Hand zurücklegen, ist erfüllte Zeit.
Axel Kühner, Neukirchener Kalender, 17.09.2010