Verlassen?

Verlass dich auf den Herrn von ganzem Herzen, und verlass dich nicht auf deinen Verstand, sondern gedenke an ihn in allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen. (Spr 3,5-6) >br>
„Der Mensch denkt und Gott lenkt!“ Dieses Sprichwort kommt mir in den Sinn, wenn ich die Losung dieses Tages aus dem Buch der Sprüche höre. Wir Menschen sorgen uns meist um unsere Zukunft. Wie es z. B. in unserem persönlichen Leben, im beruflichen und wirtschaftlichen Leben und weltweit aufgrund der Globalisierung weitergehen kann. Wir vergessen dabei oft, dass hinter allem Gott steht, der der eigentliche Lenker der Weltgeschichte ist. Beim Durchblättern meiner Predigtaufzeichnungen fiel mir auf, dass dieses Bibelwort aus Sprüche 3, 5-6 beliebt ist bei Taufen und auch Trauungen. Gerade an den Übergängen unseres Lebens, die häufig mit Unsicherheit und Ängsten belegt sind, ermutigt der Zuspruch und die Weisung, die in diesen Versen zu finden ist. Ein kleines Kind ist zur Welt gekommen. Die Eltern sind froh, dass ihr Kind lebt und gesund ist. Trotzdem machen sie sich Gedanken und Sorgen um seine Entwicklung. Sie können viel Vorsorge treffen, regelmäßig mit dem kleinen Kind zur ärztlichen Untersuchung gehen, es impfen lassen, Schutzvorkehrungen zu Hause treffen. Eine Garantie für ein bewahrtes und gelingendes Leben jedoch gibt das alles nicht. Deshalb wünschen sie sich z. B., dass Gott ihrem Kind Schutz und Bewahrung schenkt, es auf einen guten Weg führt.

Genauso ist es bei dem Entschluss zu heiraten und verbindlich als Ehepartner das Leben miteinander zu teilen. Dieser Entschluss hat weitreichende Folgen, und manche bereuen ihn leider oft schon sehr bald. Die frühen und schnellen Scheidungen von Ehen beweisen das. Keiner kann für sich die Hand ins Feuer legen. Keiner weiß bei seiner Heirat, was mit ihm oder dem Ehepartner in 5 oder 10 Jahren sein wird. Wie seine Persönlichkeit sich entfaltet, welche Krankheiten ihn heimsuchen, ob berufliche Wünsche in Erfüllung gehen oder nicht. Da ist es gut, wenn Paare in ihrer Entscheidung nicht allein auf sich selbst gestellt sind, sondern mit der Führung eines anderen rechnen dürfen. Deswegen bete ich für das Brautpaar und erbitte Gottes Segen für ihren gemeinsamen Lebensweg. Wenn ich Goldene Hochzeitspaare noch einmal einsegne, dann bestätigen sie mir oft die Bedeutung ihres Eheversprechens und die Hilfe, die sie durch Gottes Beistand und Rat in den 50 Ehejahren empfangen haben. Beim Blättern durch meine Auslegungen zu diesem Bibelvers bin ich aber auch auf zwei Traueransprachen gestoßen. Was sich in guten Zeiten bewährt, das hält auch in Krisenzeiten stand und gibt den nötigen Halt. So wurde dieser Spruch auch ein Trost für eine Witwe, die ihren Ehemann durch einen plötzlichen Tod verloren hat. Gottes Wort bewährt sich im Leben und im Sterben. Darum: „Verlass dich auf den Herrn von ganzem Herzen und nicht auf deinen Verstand, sondern gedenke an ihn auf allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen.“ In aller Trauer eröffnet diese Einladung einen Weg in die Zukunft. Aber ich kann mir vorstellen, dass dieser Vers bei Ihnen nicht ungeteilte Zustimmung findet. Er wäre vielleicht leichter verdaulich, wenn nicht die Gegenüberstellung von Gottvertrauen und Verstand vorkäme. Soll ich bei Gott meinen Verstand ausschalten? Er hat mir doch meinen Verstand geschenkt, um ihn zu benutzen. Steht das Denken gegen den Glauben?

In der Bibel geht es nicht darum, Glaube und Denken gegeneinander auszuspielen. Dieser Vers möchte uns davor warnen, ausschließlich auf unser Wissen und unsere Klugheit zu bauen. Vieles ist in unserer Gesellschaft im Wandel: Alte Werte verlieren ihre Gültigkeit, die Arbeitslosigkeit steigt von Tag zu Tag, Lehrstellen werden immer knapper, Familientragödien bringen unser zwischenmenschliches Gefüge ins Wanken, das Leben ist am Anfang und am Ende bedroht. Es nützt nichts, vor den Realitäten die Augen zu verschließen. Dennoch meinen wir oft, unsere Zukunft meistern zu können. Politiker und Experten lassen sich eine Menge an Programmen und Lösungen einfallen. Aber wir ahnen häufig, dass sie uns letztlich nicht weiterhelfen. Allein die Erinnerung an unseren Gott, den Schöpfer und Erhalter des Lebens, schenkt uns nötigen Mut. „Verlass dich auf den Herrn von ganzem Herzen!“ Es geht täglich neu um das Wagnis des Glaubens, mein Leben ganz in Gottes Hand zu legen und darauf zu vertrauen, dass er auch mit dieser Welt zu seinem Ziel kommt. Gottes Wege sind nicht immer leicht für mich, aber ich vertraue, dass es die richtigen für mich sind.

Autor: Herbert Volk