Gott zählt die Tränen
Es ist merk- und denkwürdig, dass das menschliche Leben mit Weinen beginnt und mit Weinen endet. Jedes Neugeborene weint, wenn es auf die Welt kommt. Und keiner stirbt lachend. Dazwischen gibt es noch viele, viele weitere Tränen — es sei denn, jemand hat sich das Weinen abgewöhnt, oder es wurde ihm abgewöhnt. Aber auch die ungeweinten oder nach innen geweinten Tränen sind Tränen. Sie liegen—wie gefroren—tief in der Seele. Doch Gott hat ein besonderes Verhältnis zu unseren Tränen: »Sammle meine Tränen in deinen Krug; ohne Zweifel, du zählst sie« (Ps 56,9). Als gäbe es bei Gott eine »Sammelstelle« für unsere Tränen! Ja, mehr noch: Er zählt sie. — Das Jüngste Gericht scheint nicht nur der große Zahltag, sondern auch ein Zähltag zu sein: für jeden Schmerz, der erlitten worden ist, für jede innere Wunde. Gott fängt unsere Tränen auf und verwahrt sie, bis und damit er einmal das ganze Tränenmeer umwandeln wird in ein Meer der Freude.
Neukirchener Kalender 170509