Die Trauerfeier im Krematorium war zu Ende. Ich verabschiedete mich von der Trauerfamilie und dann mussten wir den Raum verlassen, weil die nächste Trauerfeier beginnen sollte. In dem kleinen Vorbereitungszimmer wartete bereits der Redner für die nichtchristliche Trauerfeier. Während ich mich zum Gehen fertig machte, begann in der Feierhalle die Musik. Sie war das eindeutige Zeichen, dass es jetzt Zeit ist für den Redner, der die Trauerfeier hält. Mir schoss es durch den Kopf: Ich müsste meinem »Nachfolger« etwas sagen, einen Wunsch, einen Zuspruch … Aber unmöglich konnte ich einem Atheisten Gottes Segen wünschen. Und so sagte ich ihm: »Ich wünsche Ihnen ein gutes Wort.« Dann begegnete mir ein Blick und ein Wortschwall, den ich nicht erwartet hätte: »Sie, Sie, Sie — Sie haben es viel besser. Sie, Sie haben die Bibel!« Und etwas zu laut schloss er hinter sich die Tür.
Neukirchener Kalender, 21.03.2009