Im Mittelpunkt der Passion steht das Kreuz.
Professor Thielicke schreibt in seinem Buch „Das Bilderbuch Gottes“: Kürzlich war ich in New York in dem riesigen Palast der Vereinten Nationen, in dem die maßgebenden Führer der Völker zusammenkommen, wenn es einmal kriselt. Und in dem sie nach Fluchtwegen vor neuen Kriegen suchen. Ich bat einen der Ordner, mir die Kapelle zu zeigen, die sich in diesem Hause befinden sollte.
Er antwortete: „Ach, sie meinen wohl den Meditationsraum?“ Offenbar soll man also dort nicht beten, sondern nur meditieren, sich sammeln. Dieser Meditationsraum war auch danach. In einem völlig leeren, völlig weißen Raum ohne jeden Schmuck und ohne jedes Symbol standen einige Stühle. Die vordere Wand, jener Teil des Raumes also, wo in den Kirchen der Altar zu stehen pflegt, war von Scheinwerfern grell angestrahlt. Und was wurde dort angestrahlt: nichts – nothing.“
Verlorene Leute wollen einer verlorenen Welt Rettung bringen. Leute im Anblick des „Nichts“ wollen anderen Menschen raten, wollen Völkern einen Weg zeigen. Das ist unmöglich. Wie will man der Welt einen Inhalt geben, wenn das eigene Leben nur Leere widerspiegelt. Für Menschen, die sich selbst als Maßstab nehmen, ist das Kreuz eine Torheit. Sie wollen eine Welt retten, ohne selbst gerettet zu sein. Wer auf eine kahle Wand blickt, kann keinem Menschen helfen. Wer sich auf das Kreuz beruft, rettet sich selbst und andere. Das Kreuz ist mehr als ein Symbol, es ist eine Gotteskraft.
Reinhold Ruthe: Ich frage Jesus, Aussaat Verlag, S. 104, 1989
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Im Mittelpunkt der Passion steht das Kreuz . Es ist nicht nur ein Marterpfahl. „Die schlimmste, scheußlichste und grausamste Todesstrafe, die es gibt, ist der Kreuzestod. Der Begriff Kreuz muss nicht nur vom Leib römischer Bürger, sondern auch von Ihren Gedanken ferngehalten werden“, sagte Cicero seinen Landsleuten im alten Rom. Das ist eine Seite. Ausgerechnet ein jüdischer Theologe, Pinchas Lapide, schreibt über das Kreuz : “Gleicht der Pfahl des Kreuzes nicht einem Pfeil, der, in der Erde wurzelnd, jäh zum Himmel weist – wie das Gebot der Gottesliebe, das die volle Selbsthingabe fordert? – Und gleicht der Querbalken, der unparteiisch nach rechts und links deutet, nicht jener schrankenlosen Nächstenliebe, die weder reich noch arm, schwarz noch weiß, weder Jude noch Christ kennt, sondern einzig und allein Menschenbrüder, die im gemeinsamen Vater-Gott die beste Gewähr für Sinn und Hoffnung unseres Lebens finden?“
In der Tat, am Kreuz offenbart sich Gottes totale Selbsthingabe. Das Kreuz offenbart, was Christus auf seine Schultern geladen hat. Pinchas Lapide hat recht: Das ist schrankenlose und klassenlose Nächstenliebe. Das Kreuz Christi ist der Schnittpunkt der Wege Gottes in unserem Leben. Es stirbt einer an uns, durch uns, aber auch für uns, – damit wir leben können. Wer das glaubend fasst, weiß es gewiss, dass die Welt mit Ihren Reizen, Kräften und Mächten kein Anrecht mehr auf den Menschen hat. Die Welt ist tot für ihn.
Reinhold Ruthe: Ich frage Jesus, Aussaat Verlag, S. 105, 1989 seit 06.02.05 Home | Kontakt