Gedanken einer Kerze.
Ihr habt mich angezündet und schaut – ein wenig nachdenklich oder versonnen – in mein Licht. Vielleicht freut ihr euch auch ein bißchen dabei. Ich jedenfalls freue mich, dass ich brenne. Wenn ich nicht brennen würde, läge ich in einem Karton mit anderen, die auch nicht brennen. In so einem Karton haben wir Kerzen überhaupt keinen Sinn. Da liegen wir nur herum. Einen Sinn habe ich nur, wenn ich brenne. Und jetzt brenne ich. Aber seit ich brenne, bin ich schon ein kleines bißchen kürzer geworden. Das ist scha‑ de, denn ich kann mir ausrechnen, wann ich so kurz bin, dass ich nur noch ein kleines Stümpfchen bin. Aber so ist das: Es gibt nur zwei Möglichkeiten – entweder ich bleibe ganz und unversehrt im Karton, dann werde ich nicht kürzer, dann geht mir überhaupt nichts ab – aber dann weiß ich nicht, was ich eigentlich soll -, oder ich gebe Licht und Wärme, dann weiß ich, wofür ich da bin, dann muß ich aber etwas geben dafür: von mir selbst, mich selber. Das ist schöner als kalt und sinnlos im Karton. So ist das auch bei euch Menschen: Entweder ihr bleibt für euch, dann passiert euch nichts, dann geht euch nichts ab – aber dann wißt ihr auch eigentlich nicht so recht, wozu ihr da seid. Dann seid ihr wie die Kerzen im Karton. Oder ihr gebt Licht und Wärme. Dann habt ihr einen Sinn. Dann freuen sich die Menschen, dass es euch gibt. Dann seid ihr nicht vergebens da. Aber dafür müßt ihr etwas geben: von euch selber, vor allem, was in eurer Herzlichkeit, von eurer Treue. eurem Lachen, eurer Traurigkeit, von euren Ängsten, von euren Sehnsüchten, von allem, was in euch ist. Ihr braucht keine Angst zu haben, wenn ihr dabei kürzer werdet. Das ist nur äußerlich. Innen werdet ihr immer heller. Denkt ruhig daran, wenn ihr in eine brennende Kerze seht, denn solch eine Kerze seid ihr selber. Ich bin nur eine kleine, einzelne Kerze. Wenn ich allein brenne, ist mein Licht nicht groß, und die Wärme, die ich gebe, ist gering. Ich allein – das ist nicht viel. Aber mit anderen zusammen ist das Licht groß und die Wärme stark. Bei euch Menschen ist das genauso. Einzeln, für euch genommen, ist euer Licht nicht gewaltig und die Wärme klein. Aber zusammen mit anderen wird das Licht hell und die Wärme stark. Licht ist ansteckend! veröffentlicht in Stimme des Glaubens, 12.12.2004, Seite 4