Es gibt noch Engel in der Welt
Engel sind Menschen, die das Licht durchlassen. Wo sie sind, wird alles hell und klar. Engel sind Menschen, die zum Leben bringen, was tot ist. Engel sind Menschen, die ein Stück Freude aus dem Paradies mitbringen. Glaub mir: Engel sind Menschen aus Fleisch und Blut, die auf unsichtbare Weise die Welt im Lot halten. Tief in ihnen fühlst du etwas von dem Geheimnis einer unergründlichen Güte, die durch alles hindurch zu den Menschen will. In ihnen wird eine Liebe fühlbar, die dich umarmen möchte.
Du hast ein Problem. Du kommst nicht klar. Und wie durch eine unsichtbare Antenne bekommt irgend jemand eine Eingebung, eine Art Befehl, sich an dich heranzumachen und dir zu helfen, dir den rettenden Tipp zu geben oder ein verstehendes, tröstendes Wort. „Du bist ein Engel“, sagst du dann. Du sagst es zu einem Mann, einer Frau, einem Jungen, einem Mädchen. Geschlecht und Alter spielen keine Rolle. Es kommt etwas Gutes, etwas Herrliches zu dir. Das Leben wird hell und alle Qual ist weg.
Aber Engel kommen nicht auf Bestellung. Manchmal kommen sie ganz unerwartet. Manchmal sind sie da und man merkt es kaum; sie zeigen dir den Weg und verschwinden wieder. Ich habe schon viele Engel getroffen. Manchmal hielten sie mitten auf der Straße an, kamen aus der Menschenmenge heraus, reichten die Hand, lösten ein Problem und dann verschwanden sie wieder im Gewühl der Straße. Mitten in der Menschenmenge, namenlos, ohne auf Dank zu warten.
Es gibt noch Engel in der Welt. Aber es sind zu wenige, darum herrscht noch so viel Dunkel und Elend. Gott sucht nach Engeln unter den Menschen heute. Aber so viele Menschen sehen ihn nicht mehr, hören ihn nicht mehr. Ihre Antenne ist beschädigt oder zerbrochen. Sie empfangen nichts mehr und geben nichts mehr weiter. Komm, du bist mein Engel! In deiner Umgebung sind genug Menschen, für die du ein Engel sein kannst.
Phil Bosmans
An der richtigen Stelle unterbrochen
„Über den Glauben lässt sich streiten“, so hieß das Thema unserer Podiumsdiskussion. Mitten in der Vorbereitung klingelte das Telefon. Marianne kündigte ihren Besuch an. Sie brachte Wein, Pralinen und ein Buch mit. Von der langen Nachtfahrt müde, legte sie sich eine Weile hin. Also nahm ich das Buch und las. Mit dem Diskussionsthema kam ich im Moment sowieso nicht weiter. In dem Buch überlegte ein schwer kranker Mann vor seiner Operation, was er in seinem Leben anders machen würde, wenn er noch einmal eine Chance bekäme. Ich dachte: Was würde ich anders machen? Ich würde, weil ich weiß, wie bedroht und gefährdet mein Leben ist, jeden Tag Luthers Morgensegen beten: „Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde.“ Aber wieso „ich würde“? Wie es schien, durfte ich ja noch leben. Ich konnte das Gebet doch auch jetzt sagen – mitten in meiner Sorge um diese Veranstaltung. Dass Gottes Engel „mit mir“ ist, machte ja den Unterschied aus. Marianne kam die Treppe herunter: „Bist du sicher, dass ich dich nicht störe? – „Ganz sicher. Du hast mich gerade an der richtigen Stelle unterbrochen.“
Hanna Ahrens 09.07.2003 Neuk. Kal.