Dem Leben auf der Spur – Gedanken zu Ostern
Wie der Tod geht wissen wir, nichts aus eigenem Erleben, aber dadurch dass wir den Tod anderer erlebt haben. Der Tod fühlt sich kalt an und dunkel.
Der körperliche Tod ist das Eine, aber die anderen Tode mitten im Leben machen das Leben oft noch schwerer: der Abschied von Menschen, das Scheitern von Beziehungen und Plänen. Der Tod, wie er uns in diesen Tagen ins Haus kommt in der Gestalt von Terror, Krieg, Entführung, Hass unter den Völkern. Wir wissen um den Neid, der herrührt aus dem Vergleich mit anderen, denen es scheinbar besser geht als uns, und der uns zerfressen kann wie der Wurm die Wurzel einer Pflanze. Der Tod ist kalt und dunkel, hässlich, und auch brutal.
Wie das Leben geht, meinen wir auch zu wissen. Wirklich? 12.000 Menschen sucht jedes Jahr das Heil im Selbstmord, 4 Millionen Menschen sind suchtkrank, viele hasten von einem Event zum nächsten, Stille kann man nicht aushalten, weil man befürchten muss den eigenen Herzschlag zu hören. Wissen wir wirklich wie das Leben geht? Nicht das Leben, das sich äußert in der Werbung: „mein Haus, mein Auto, meine Yacht, meine Bank“ – das ist schließlich doch nicht genug, wie wir aus unseren Beratungsstellen wissen, wo auch jene Menschen stranden, denen in dieser Aufzählung etwas fehlt.
Wie aber geht das Leben? Was ist das Leben? „Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und des in Fülle haben“, sagt Christus und seine Auferstehung ist der Beweis, dass dies kein leeres Wort ist, sondern von Gott selbst eingelöst worden ist.
Auferstehung – das ist eine Wirklichkeit, zu der uns der Zugang fehlt, ebenso wie das Leben, das mit ihr verbunden ist. Den ersten Christen ging es ebenso. Wie können wir den Menschen verkünden, was wir erlebt haben? Wie können wir ihnen sagen, was dieses Leben in Fülle ist? Sie haben uns Geschichten erzählt mit vielen Bildern, die uns erahnen lassen, was Auferstehung bedeutet, wie Leben geht.
Der Stein ist weg –
der Stein, der auf unserem Herzen lag, der uns das Atmen schwer machte, der Stein, der mit anderen Steinen eine Mauer bildete, die den Weg versperrte, uns trennte von anderen – der Stein ist weg! Wer so etwas erlebt hat, der ist dem Leben auf der Spur.
Nähe –
Maria Magdalena erlebt die zärtliche Ansprache des Auferstanden, Thomas hört „Leg deine Finger in meine Wunde, d.h. sei mir ganz nahe“ – die Nähe eines anderen erfahren, der nicht in sicherer Entfernung bleibt, der sich mir öffnet, der seine Wunden mir darreicht im Vertrauen darauf, dass ich ihn nicht weiter verwunde! Wer so etwas erlebt hat, der ist dem Leben auf der Spur!
Gemeinschaft –
der Auferstandene isst mit seinen Jüngern am Morgen am See Genesareth – essen, heißt auch Gemeinschaft haben mit anderen, kein Arbeitsessen, bei dem nur gewertet wird, ob der Lachs zur Vorspeise im richtigen Weisswein schwimmt, sondern ein Mahl, bei dem die Speise in den Hintergrund tritt und der Tischgenosse in den Vordergrund. Wer so etwas erlebt hat, der ist dem Leben auf der Spur.
Frieden / Versöhnung –
wer 3x verleugnet hat und dann die Frage gestellt bekommt, liebst du mich?, erfährt Versöhnung und Frieden. Wer erlebt hat, wie das Band der Freundschaft zerschnitten wurde und dann doch noch Versöhnung möglich war, der ist dem Leben auf der Spur.
Wege teilen –
unterwegs sein mit schwerem Herzen, ohne Perspektive und eine Seele voller Fragen. Dann geht plötzlich einer mit, eine ganze Wegstrecke, eröffnet neue Sichtweisen, gibt Antworten, lässt das Herz leichter werden und brennen. Wer so etwas erlebt hat, der ist dem Leben auf der Spur.
Auferstehung, Leben in Fülle – wir sind ihr auf der Spur mitten im Alltag unseres Lebens. All das Gesagte, lässt uns erahnen, nicht nur was uns bevorsteht, sondern woran Gott uns schon jetzt Anteil schenkt. „Manchmal feiern wir mitten im Tag ein Fest der Auferstehung“ heißt es in einem neuen geistlichen Lied.
Manchmal feiern wir mitten im Tag ein Fest der Auferstehung, Stunden werden eingeschmolzen und ein Glück ist da.
Manchmal feiern wir mitten im Wort ein Fest der Auferstehung, Sätze werden eingeschmolzen und ein Lied ist das.
Manchmal feiern wir mitten im Streit ein Fest der Auferstehung, Waffen werden umgeschmiedet und der Friede ist da.
Manchmal feiern wir mitten im Tun ein Fest der Auferstehung.
Sperren werden übersprungen und ein Geist ist da.
Wer so erlebt, dass er dem Leben auf der Spur ist, muss ihm nicht mehr nachlaufen mit hängender Zunge,
sondern kann nicht nur an Ostern, sondern jeden Tag dankbar und glücklich sein, dass er lebt.
Wilfried Schumacher
(c) beim Autor
Pfarrer & Stadtdechant , Bonner Münster