Die falschen Propheten

Die Geister unterscheiden

Die Wahrheitsfrage: Woran man richtige und „falsche“ geistliche Lehrer erkennen kann

Die Gabe der Geisterunterscheidung scheint selten geworden zu sein.
Viele Christen glauben, daß sie kein Recht haben, die Überzeugungen einer anderen Person zu beurteilen. Warum fällt es uns so schwer zu sagen, daß bestimmte religiöse Ansichten falsch oder Verhaltensweisen sündig sind? Warum lassen wir falsche Propheten auftreten, ohne vor ihnen zu warnen?

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Erwin Lutzer, Hauptpastor der Moody Kirche in Chicago, zeigt in seinem soeben erschienenen Buch „Wer bist du, daß du andere richtest?“ (CV Dillenburg), wie man Wahrheit, Halbwahrheit und Lüge unterscheidet. idea druckt einen Auszug.

Erwin Lutzer, „Wer bist du, daß du andere richtest?“, CV Dillenburg 2003
„Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!“ sagt Jesus in Matthäus 7,1. Meinte er damit, daß wir uns einen Gefallen erweisen, wenn wir keinerlei Urteile fällen, weil diese immer auf uns zurückfallen werden? Einige behaupten, daß wir Jesus hier wörtlich nehmen, eine tolerante Haltung einnehmen und so ein Klima der Einheit und des Friedens fördern sollten. Sogar in evangelikalen Kreisen hören wir manchmal: „Wer sind Sie, daß Sie richten?“ Diese Frage legt nahe, daß wir kein Recht haben zu sagen, daß die Lehre eines Predigers von der Bibel abweicht.
Aus Angst, für lieblos gehalten zu werden, haben wir ein Klima entstehen lassen, in dem jede beliebige Meinung als ebenbürtig angesehen wird. Wir möchten nicht der Diskriminierung beschuldigt werden und haben dabei vergessen, daß wir diskriminierend, also unterscheidend sein sollen. Der Gedanke, daß Einheit wichtiger als Wahrheit ist und Liebe bedeutender als rechte Lehre, ist durch und durch faul.
Die Fähigkeit, zu urteilen, ist ein Kernbestandteil christlichen Lebens. „Prüfet alles, das Gute aber haltet fest! Von aller Art des Bösen haltet euch fern“ (1. Thessalonicher 5,21-22). Uns ist aufgetragen, Wahrheit von Irrtum und Halbwahrheiten zu unterscheiden. Jedes Urteilen beginnt damit, anzuerkennen, daß wir vor Gott verantwortlich sind, wie wir mit unseren Gaben umgehen, welchen Werten wir folgen und wie wir unser Leben führen. Dabei müssen wir beachten, daß das Entfernen des Balkens im eigenen Auge das erste Ziel ist. Dann können wir auch andere Menschen führen und auf dem Weg der Erlösung begleiten. Dabei sollten wir immer mit Gnade und voller Erbarmen urteilen. Wir sollten keine Freude daran haben, die Verfehlungen anderer Menschen aufzudecken.
„Nehmt euch in acht vor falschen Propheten“, heißt es in Matthäus 7,15. Mit dieser Aussage nannte Jesus zwei Wahrheiten: daß es falsche Propheten gibt und daß sie gefährlich sind. Je mehr sich die Leute daran gewöhnen, immer mehr den Predigern anzuhängen, die ihnen das sagen, was sie hören wollen, desto weniger überrascht sollten wir sein, daß es überall falsche Propheten gibt. Viele von ihnen haben eine große Gefolgschaft, und ihre Lebensweise wird auch von ernsthaften Christen gutgeheißen.

Segen ohne Buße
Falsche Propheten sprechen unaufhörlich von Jesus. Sie werden sogar in seinem Namen beten und Wunder vollbringen. Sie predigen einen Jesus, der uns ohne Buße Nutzen verschafft und uns nicht zum Leiden beruft. Dieser Jesus ist jederzeit bereit, Segen auszuteilen, und macht jedes Leiden, das uns begegnet, zunichte. Ein solcher Jesus gibt uns Geld, nimmt die Probleme von uns fort und wirkt jedes von uns erbetene Wunder. Er ist ein sinnlich erfahrbarer Jesus; ein Unterhaltungs-Jesus. Den Jesus, der am Kreuz starb, um uns mit Gott zu versöhnen, lassen sie im Hintergrund. Das gilt auch für den Jesus, der zurückkehren wird, um Gericht zu halten über all die, die dem Evangelium nicht gefolgt sind.
Das Heimtückische an dieser Art von Lehre ist nach Paulus „der andere Geist“. Das heißt, solche Verkündiger stehen tatsächlich unter der Macht eines fremden Geistes. Manchmal lauert ein Dämon hinter ihren Lehren, denn sie benutzen ihre Ausstrahlungskraft dazu, Jesus scheinbar zu erhöhen, obwohl ihre Lehren fehlgeleitet sind. Wir müssen uns vergegenwärtigen, daß der Jesus, den wir wollen, nicht unbedingt der Jesus ist, den wir brauchen.
Ein solcher Prophet wird auch nicht bereit sein, sich kritisieren zu lassen. Da er der festen Ansicht ist, er erhalte seine Aufträge direkt von Gott, wird er beim leisesten Hinterfragen antworten: „Wer sind Sie, daß Sie den Gesalbten des Herrn in Zweifel ziehen?“ Wird jemand nicht geheilt, so ist es die Schuld dieser Person selbst, die nicht genug Glauben besaß oder zu wenig Geld gab. Sie werden nie erleben, daß jemand auf die Bühne gerufen wird, der Zeugnis von seiner Nicht-Heilung ablegt.

Lieber heilig als geheilt
Christus ist für unseren Körper und unsere Seele gestorben. Gleichwohl werden wir diesen Teil unserer Erlösung erst dann sehen, wenn wir in die Herrlichkeit eingehen. Christus kam, um uns von der Sünde zu befreien. Dennoch haben wir weiterhin eine sündige Natur. Er kam, um den Tod zu überwinden. Und dennoch sterben wir. Er kam, um unseren Körper zu erlösen. Trotzdem sind wir Unfällen, Vergiftungen und Krankheiten unterworfen. Viele, die die Lehre verkünden, daß göttliche Heilungen sofort verfügbar sind, tragen Brillen, leiden an Arthritis und haben implantierte Hörhilfen. All diese Gebrechen sind ein eindrückliches Zeugnis davon, daß wir in diesem Leben nur den Anfang der Erlösung zu sehen bekommen. Ja, mitunter heilt Gott, aber selbst dann ist die Heilung nur ein Hinausschieben zukünftiger Krankheiten und des Todes. Auch die Heilungen, die Christus auf Erden vollbrachte, waren nicht für immer. Die von ihm geheilten Leute starben.
Wir können dankbar sein, daß die charismatische Bewegung uns vor Augen geführt hat, daß wir von Gott größere Dinge erwarten können. Aber wir dürfen nicht den Fehler begehen, die übernatürlichen Gaben über das Streben nach Heiligkeit, Evangelisation und aufrichtiger Nachfolge zu stellen. Es ist besser, heilig als geheilt zu sein.

Autor: Erwin Lutzer, IDEA online vom 27.11.2003